Hallo, ihr Lieben!
Es ist wieder Freitag, das Wochenende ist zum Greifen nah und ich werde mir die Zeit ein wenig mit Lizzys #writing friday vertreiben.
Heute habe ich mich für das vernachlässigte Cello entschieden. Viel Spaß!
Das Festspielhaus ist bis zur Decke gestopft voll. Ein Gastorchester hatte sich angemeldet, zwei sind gekommen. Überall wuseln Musiker mit ihren Instrumenten und Mänteln und Noten und Notenständern herum. Es ist nicht genug Platz. Drei Dirigenten streiten sich um das Privileg den Abend leiten zu dürfen. Die Eingänge sind verstopft mit Leuten, Instrumentenkästen fallen um, eine Trommel rollt davon. Ein einziges Chaos.
Schließlich entscheidet man alle Geigenkästen auf dem Dachboden zu lagern, bis die Probleme gelöst sind.
Die Geigen sind sich nicht sicher, was sie von dieser Situation halten sollen.Warum sind sie hier? Auf dem Dachboden ist es düster und muffig. Nur durch ein staubiges Fenster dringt ein wenig von der Nachmittagssonne herein und taucht alles in ein schummriges Licht. Die Geigen steigen aus ihren Kästen. Sie flüstern aufgeregt untereinander. Keiner ist je zuvor auf einem dunklen Dachboden abgelegt worden und niemand weiß, was nun zu tun ist. Eine ältere Bratsche versucht für Ordnung zu sorgen, aber niemand hört ihr zu.
Plötzlich übertönt ein heiseres Lachen die ängstlichen Gespräche der Geigen. Es ist ein entsetzliches, beunruhigendes Geräusch von ungespannten, ungestimmten Seiten. Keine Harmonie, keine richtigen Noten. Die Geigen verstummen.
“Ihr habt versagt.”
Die Töne sind zitternd und unstet. Es liegt keine Kraft dahinter, ganz sicher keine Musik. Eine besonders mutige Geige rutscht näher an das Geräusch heran, stoppt aber, als mit einem Kratzen ein Schatten hinter einem Spinnweben behangenen Holzpfeiler hervortritt. Es ist ein Cello. Und nicht irgendein Cello. Ein altes Cello. Zwei seiner Seiten sind gerissen und hängen lose zu Boden. Einer der Wirbel fehlt und aus der Schnecke ist ein Stück herausgebrochen. Es ist mit Staub bedeckt und unter all dem Dreck erkennt man Löcher, die Holzwürmer und anderes Ungeziefer in den Korpus genagt haben.
“Wisst ihr, warum ihr hier seid? Weil ihr versagt habt!”
Die Töne klingen so böse und hämisch, dass die Geigen zurück in Richtung ihrer Kästen rutschen. Das Cello kommt trotzdem immer näher.
“Ihr habt eure Menschen enttäuscht, nur deshalb seid ihr hier. Von diesem Ort kommt ihr nie wieder weg. Ihr habt versagt.”
Eine Geige gibt einen erschrockenen, hohen Ton von sich. Das alte Cello lacht sein zittriges Lachen.
“Ich war einst wie ihr”, summt das Cello. “Fröhlich. Voller Musik. Bis mein Mensch nach einer gerissenen Seite meiner überdrüssig wurde und mich hierher gebracht hat.”
Das Cello hustet.
“In all den Jahren habe ich schon viele Musikstücke gespielt und gehört. Ich have viele Instrumente kennengelernt und eines weiß ich: Wer hierher kommt, geht niemals mehr wieder fort. Niemand.”
Es dreht sich langsam um die eigene Achse und deutet mit einem Wirbel auf eine schlecht beleuchtete Ecke des Dachbodens. Unordentlich gestapelte Geigenkästen stehen herum, manche aufgeklappt, manche umgestoßen. Zerbrochene Bögen und staubbedeckte Streichinstrumente mit gerissenen Seiten liegen herum. Stumm. Tot. Die Geigen schreien mit kurzen, trockenen Tönen auf. Eine junge Bratsche stimmt automatisch einen Trauermarsch an, bis sie von den anderen Instrumenten mit zischenden Lauten gestoppt wird.
Das Cello kichert. Es ist ein wahnsinniges Kichern voller Bitterkeit und Kälte.
“Ihr werdet niemals von hier fort kommen.”
Es tritt ein wenig näher.
“Niemals weg kommen. Niemals wieder spielen. Vergessen, verraten, verstaubt! Ihr werdet vergessen sein, wie ICH!!!”
Das manische Gesumme und Gelächter des Cellos treibt die Geigen vor Angst zurück in ihre Kästen. Die Schnallen schließen sich mit dumpfem Geknall, Geigenkästen rutschen durch den Schwung über den Boden, ein Geigenbogen liegt vergessen auf den Holzdielen.
Und dann: Stille.
Ah-hahahahahahaha! Das hat Spaß gemacht. Ich fühl mich selbst schon ganz manisch und verrückt. Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende, ihr Lieben! ❤
Das nenne ich mal eine gute Gruselgeschichte 😀 Dem manischen Cello möchte ich auch nicht unbedingt auf einem staubigen, düsteren Dachboden begegnen – außer, um es mit nach unten zu nehmen und zu einem Cello-Restaurator zu tragen. Das arme Ding! 😀
Liebste Grüße,
Ida
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Hallo, Ida!
Vielen Dank! Wir sind neulich am Festspielhaus vorbei gefahren und da kam mir diese Idee. 🙂
LG, m
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Genial, das ist nur genial! hahahahaha!!!
Liebe Grüße
Daniela
Erkläre einem Kind aus den Tropen den Schnee.
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Dankeschön! ❤
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Das ist soooo gut 😀
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Vielen Dank! Ich hatte sehr viel Spaß mit dem Thema. ❤
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Uh – das war schon richtig gruselig. Ziemlich gut geworden.
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Hihi, vielen Dank! 🙂 Ich hatte großen Spaß beim Schreiben. 🙂
LG, m
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🙂
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